Thomas Brezina schreibt. Viel. Und gut. 560 Bücher tragen seinen Namen, 65 Millionen Exemplare schmücken die Kinderzimmer auf der ganzen Welt, in 35 Sprachen sind sie zu lesen. Erstaunlich, denn das Schreiben, findet Brezina, ist ganz schön anstrengend. Trotzdem kann er die Finger nicht davon lassen.

Thomas Brezina ist Kinderbuchautor. Aber nicht irgendeiner. Er hat mit acht Jahren sein erstes Buch geschrieben und mit 16 erste Preise eingeheimst. Dann ist er von einem Verlag entdeckt worden und das war’s. Seither schreibt er. Wenn er sich
nicht gerade wieder eine Auszeichnung abholt. Der Bestseller-Autor, TV-Produzent und Moderator im Gespräch.

Gabi Weiss: Thomas, du bist durch und durch ein Geschichtenerzähler. Wie hat das begonnen?

Thomas Brezina: Mit 16 Jahren habe ich mit meinen Fernsehdrehbüchern den österreichischen Jugendpreis gewonnen. Dadurch ist der ORF auf mich aufmerksam geworden. Meine Hörspiele sind einem Verlag aufgefallen, und der hat mich dann gefragt, ob ich Kinderbücher schreiben möchte. Ich habe Ja gesagt. So hat alles begonnen.

Warum gerade Kinderbücher?

Ich bin ein Mensch, der das Kind, das ich einmal war, nach wie vor gerne begeistert. Und genauso will ich andere Kinder begeistern. Ich sehe mich als einer dieser mittelalterlichen Geschichtenerzähler, der vor seinem Publikum sitzt, und dem alle gebannt zuhören.

Dein erster Erfolg war „Die Knickerbocker-Bande“. Was hat die Kinder daran so fasziniert? 

Ich hatte den Mut, ein Mädchen zum Oberhaupt der Bande zu machen. Das war damals vor zwanzig Jahren sehr ungewöhnlich. Dazu kommt, dass die ersten zehn Bände der Knickerbocker-Bande an Originalschauplätzen in ganz Österreich spielen. So konnten die Kinder die verschiedenen Orte tatsächlich besuchen. Und: Die Geschichten sind sehr spannend erzählt. Ich komme vom Fernsehen, ich weiß, wie man das Publikum von der ersten Sekunde an fesselt. Am längsten brüte ich über den ersten Sätzen, dem ersten Kapitel. Jedes Kapitel endet mit einem Cliffhanger, also an einem Punkt, an dem man wissen will, wie es weitergeht. Ich habe auch immer darauf geachtet, dass Kinder, die nicht so gerne lesen, es trotzdem gerne tun. Da hilft zum Beispiel die richtige Schriftgröße.

Es scheint in Kinderbüchern oft nur zwei Arten von Kindern zu geben: solche, die Pferdeferien mögen, und solche, die etwas aushecken. Wie ist das mit den Helden in deinen Büchern?

Tom Turbo ist eine Figur, der sich gerade jüngere Kinder gerne anschließen. Ihm können sie vertrauen, auf ihn können sie bauen, er ist ein verlässlicher Begleiter durchs Abenteuer. Wenn Kinder dann selbständiger werden, haben sie den Wunsch, sich mit anderen zusammenzuschließen, um gemeinsam etwas zu erleben. Das ist das erste Mal, dass sie sich von der Welt der Erwachsenen emanzipieren. In einer Bande haben sie die Möglichkeit als Einzelner etwas Wichtiges beizutragen, nämlich ihre eigenen Fähigkeiten. Gemeinsam mit anderen sind sie einfach stärker. Und das ist das Interessante an Banden. Der Teamgeist vereint verschiedene Kräfte, Talente und Fähigkeiten und so kann daraus etwas Größeres entstehen.

Warst du als Kind selbst Mitglied einer Bande?

Nein, ich war ein Einzelgänger, habe vor mich hingeträumt, habe mir etwas ausgedacht, etwas aufgeschrieben. Bin in meinem Baumhaus gesessen, habe meine Lieblingsbücher bei mir gehabt, gelesen. Das habe ich geliebt. 

 

„Das Menschenbild, das ich vertrete, ist: Du kannst. Und ich schildere auch, dass das nicht immer leicht ist.“ 

- Thomas Brezina - 

Was war dein Lieblingsbuch?

„Die Kinder von Bullerbü“ von Astrid Lindgren. Ich habe gerne Bücher von skandinavischen Autoren gelesen – da hatte ich immer das Gefühl, die nehmen mich ernst. Und Krimis.

Eine Mutter hat mir einmal erzählt, dass Kinderbuchbanden ihre Kinder zu Unsinn anstiften. Wie siehst du das?

Ich bin bei meinen Büchern immer den Weg gegangen, den Kindern zu zeigen, dass das eine überhöhte Form der Wirklichkeit ist. Das halte ich für sehr wichtig. Bücher sind nicht dazu da, dass die Kinder etwas nachmachen, sondern dass sie etwas erleben, was sie sonst nicht erleben. Als Autor habe ich Verantwortung für die Rollenbilder meiner Charaktere, für ihr Verhalten, ihr Zusammenspiel, ihre Stärken und Schwächen.

Welches Rollenbild ist dir für deine Helden wichtig?

Das Menschenbild, das ich vertrete, lautet: Du kannst. Das schildere ich in meinen Büchern. Aber ich schildere auch, dass es nicht immer einfach ist, sein Ding zu machen. Und dass man manchmal Kraft und Mut aufbringen muss, um das alles zu tun. Das haben viele als stärkend empfunden – das sagen mir zumindest die Leser, die jetzt erwachsen sind.

Was kannst du den Kindern mit deinen Büchern mitgeben?

Kinderbücher sind weder eine Verlängerung der Schule noch sind sie zur Erziehung von Kindern da. Sie sind für nichts Anderes da, als Kindern Geschichten zu erzählen, die sie begeistern und bestärken. Geschichten, die vielleicht dazu beitragen, die Fähigkeiten, die sie haben, die Persönlichkeit, die sie sind, noch ein bisschen besser entwickeln und entfalten zu können.

Funktionieren Geschichten für Kinder weltweit gleich?

Ich glaube daran, dass es eine Kinderseele gibt, und die wird auf der ganzen Welt durch eine ähnliche Art und Weise angesprochen. Und dann gibt es doch regionale Vorlieben. Ich habe nie ganz verstanden, warum meine Bücher in manchen Ländern besonders erfolgreich sind. „Die Knickerbocker-Bande“ in der Türkei, „Ein Fall für dich und das Tigerteam“ in China, in Spanien ist es „Alle meine Monster“, in Ungarn ist es „No Jungs“. Keine Ahnung,
warum das so ist.

In China gehörst du zu den drei beliebtesten Autoren aus dem Ausland. Hättest du dir das gedacht, als du als Kind in deinem Baumhaus gesessen bist?

Nein, ich hätte mir nichts von alldem gedacht.

Was beflügelt dich beim Schreiben?

Die Aussicht auf das fertige Produkt. Ich finde Schreiben unendlich anstrengend. Das muss ich ehrlich sagen. Es ist ja auch körperlich anstrengend. In Wien habe ich fünf verschiedene Arbeitsplätze, damit ich herumwandern und immer wieder andere Positionen einnehmen kann.

Du hast begonnen, auch für Erwachsene zu schreiben.

„Alte Geister ruhen unsaft“, das ist die „Knickerbockerbande4immer“, zwanzig Jahre danach. Das Buch erschien voriges Jahr und wurde gleich ein Bestseller. Jetzt schreibe ich gerade Teil 2, „Die Schatten der Zukunft“. Und im August erscheint mein erstes Sachbuch: „Tu es einfach und glaub daran“. Da geht es um die Dinge, die ich im Leben gelernt habe, über das, was mir weitergeholfen hat. Das möchte ich gerne weitergeben.

Thomas, danke für das Interview.

 

- Interview von Gabi Weiss -